Giovanni Putzolu: Zwischen Karlsruhe und Sedilo - Eine sardische Geschichte in Deutschland
Giovanni Putzolu: Zwischen Karlsruhe und Sedilo - Eine sardische Geschichte in Deutschland
Es war ein strahlender Frühlingstag in Karlsruhe, als ich mich mit Giovanni Putzolu in meinem Restaurant "Toro Tapasbar" traf. Die Sonne spiegelte sich in seinem Gesicht wider, bräuner als meines, selbst nach dem langen deutschen Winter. Vielleicht liegt es an den sardischen Genen, die in ihm weiterleben, obwohl er hier in Deutschland geboren wurde. Während wir unseren Espresso schlürften, begann er zu erzählen – und ich lauschte einer Geschichte, die von zwei Welten erzählt: Karlsruhe und Sardinien, vereint in einer Person.
Die Anfänge einer Freundschaft
„Erinnerst du dich noch an unser erstes Spiel bei KFV?", fragte ich und Giovanni lachte laut auf. „Wie könnte ich das vergessen? Du hast den Ball ins eigene Tor geschossen!" So sind wir – zwei Fußballverrückte, die sich schon auf dem Schulhof der Europaschule in Karlsruhe fanden. Die Nachmittage auf dem staubigen Platz des Karlsruher Fußball Vereins gehören zu den schönsten Erinnerungen meiner Jugend.
Giovanni nippte an seinem Espresso und blickte gedankenverloren aus dem Fenster. „Manchmal vermisse ich diese Zeiten", sagte er leise. „Die Unbeschwertheit, das Gefühl, dass alles möglich ist."
„Wie bist du eigentlich nach Karlsruhe gekommen?", fragte ich, obwohl ich Teile der Geschichte bereits kannte. Doch ich wollte sie noch einmal aus seinem Mund hören, für meinen Blog, für die Menschen, die mehr über die sardischen Wurzeln in unserer Stadt erfahren wollen.
Eine Reise in ein besseres Leben
„Meine Eltern", begann Giovanni, und seine Stimme nahm einen anderen Klang an, „Maria Antonia und Salvatoreangelo, sie kamen in den 1970ern aus Italien nach Deutschland. Sie suchten nach einem besseren Leben."
Er erzählte, wie sein Vater in Sardinien als Schäfer und Metzger arbeitete, selbstständig war, aber trotzdem nie genug verdiente. „Es hat vorne und hinten nicht gereicht", sagte Giovanni mit einem Seufzen. „Sie wollten sich etwas aufbauen, verstehst du? Also fassten sie den schweren Entschluss, Sardinien zu verlassen."
Die Geschichte der Familie Putzolu führte zunächst nach Turin, wo Salvatoreangelo eine Anstellung bei der renommierten Auto-Design-Firma BERTONE fand. Doch es war nur eine Zwischenstation auf ihrem Weg nach Norden.
„Aber warum ausgerechnet Karlsruhe?", hakte ich nach.
Giovanni lächelte. „Bekannte waren schon hier. In den 70ern gab es viele Italiener, die nach Deutschland kamen. Man folgte den Spuren derer, die bereits einen Weg gefunden hatten."
Eine Familie in der Fremde
Während wir uns ein zweites Getränk bestellten, erzählte Giovanni von seiner Kindheit in Karlsruhe. Nach der Europaschule, wo wir uns kennenlernten, trennten sich unsere Wege vorübergehend. Doch die Erinnerungen an diese Zeit sind lebendig geblieben.
„Meine Eltern haben hart gearbeitet", betonte er. „Damit es uns vier Geschwistern gut ging. Ich habe nämlich noch drei Brüder: Giuseppe und Costantino, die älteren, und Paolo, meinen jüngeren Bruder."
Man sah Giovanni an, wie sehr er seine Familie schätzte. Die Werte, die seine Eltern ihm mitgegeben hatten – Fleiß, Zusammenhalt, Respekt – prägten ihn bis heute. In seiner Stimme schwang Stolz mit, als er von den Opfern sprach, die seine Eltern gebracht hatten, um ihren Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen.
Zwischen zwei Welten
„Was fehlt dir von Sardinien hier in Deutschland?", fragte ich, während die Sonne langsam tiefer sank und das Café sich zu leeren begann.
Giovanni dachte nach, sein Blick in die Ferne gerichtet. „Ich kenne Sardinien nur vom Urlaub", antwortete er schließlich, „aber ich hänge an ihr. Beruflich bin ich mit ihr verbunden."
Er sprach von Sardinien wie von einer alten Freundin, einer Geliebten vielleicht, mit der er eine komplizierte Beziehung führte. „Sardinien ist für mich ein Bild von Urlaubserinnerungen", fuhr er fort, „und die Tatsache: Sommerzeit, acht Wochen Sommer in Sardinien, Freiheit als Kind, abends draußen spielen zu können."
Seine Augen leuchteten, als er von den Abenden in seinem sardischen Heimatdorf erzählte: „Nach dem Abendessen konnte man in unserem Viertel rausgehen, um sich zu erfrischen, mit dem Hocker draußen sitzen. Und die Älteren haben sich unterhalten und Geschichten erzählt."
Diese einfachen Freuden schienen in Giovanni eine tiefe Sehnsucht zu wecken. Es war eine andere Art zu leben, langsamer, verbundener, die im hektischen deutschen Alltag oft verloren geht.
„Meine Heimat ist Karlsruhe", stellte er klar, „aber ich fliege regelmäßig nach Sardinien."
Sedilo – Ein Stück Heimat auf der Insel
Als wir tiefer in das Gespräch eintauchten, kam Giovanni zu dem Ort, der für ihn auf Sardinien am wichtigsten ist: Sedilo. „Ein Dorf mit etwa 5000 Einwohnern", erklärte er, „liegt bei Oristano."
Seine Stimme erhob sich, als er von der „L'Ardia di San Constantino" sprach, einem spektakulären Ereignis, das am 5. und 6. Juli stattfindet. „Es ist ein Pferderennen, das an eine Schlacht erinnert", erklärte er mit leuchtenden Augen. „Die Reiter galoppieren mit rasender Geschwindigkeit einen steilen Hügel hinab, angeführt von einem Mann, der die Fahne des Heiligen Konstantin trägt. Es ist atemberaubend und gefährlich zugleich."
Während Giovanni sprach, konnte ich beinahe den Staub der Pferde riechen, das Donnern der Hufe hören und die Anspannung der Menge spüren. So lebendig schilderte er dieses Ereignis, das tief in der sardischen Tradition verwurzelt ist.
Zwei Leidenschaften – Fußball und Sardinien
Wie immer, wenn wir uns treffen, kam das Gespräch unweigerlich auf Fußball. „Du weißt ja, ich bin AC Milan-Fan", grinste Giovanni, wohl wissend, dass dies ein Punkt war, der uns stets zu freundschaftlichen Duellen führte.
Ich musste lachen. „Und ich werde es nie verstehen! Wie kann man nur für diesen Verein sein?"
Es sind diese kleinen Neckereien, die unsere Freundschaft seit der Schulzeit prägen. Während wir über die letzten Spiele diskutierten, die Transfergerüchte und die Chancen für die kommende Saison, wurde mir wieder einmal bewusst, wie sehr der Fußball uns verbindet – über alle kulturellen Unterschiede hinweg.
Ein Haus in Sedilo
Bevor wir uns verabschiedeten, zeigte mir Giovanni auf seinem Smartphone Bilder seines Hauses in Sedilo. Es war ein traditionelles Gebäude aus dem goldgelben Stein, der für diese Region typisch ist, mit einem kleinen Innenhof und Blick auf die umliegenden Hügel.
„Vielleicht besuchst du mich dort einmal", sagte er, und ich nickte. Der Gedanke, die Heimat seiner Vorfahren mit ihm zu erkunden, die versteckten Strände zu entdecken und die kulinarischen Spezialitäten zu genießen, reizte mich.
Giovanni ist für mich zu einem Botschafter Sardiniens geworden, ein Vermittler zwischen den Kulturen. Mit seiner warmherzigen, offenen Art verkörpert er das Beste beider Welten: die deutsche Präzision und die italienische Lebensfreude.
Die Brücke zwischen den Welten
Als wir das Café verließen und uns auf den Heimweg machten, dachte ich darüber nach, wie Giovannis Geschichte für so viele Menschen in Deutschland steht – Menschen mit Migrationshintergrund, die ihre kulturellen Wurzeln bewahren und gleichzeitig vollständig in ihrer neuen Heimat angekommen sind.
Er hat es geschafft, eine Brücke zu bauen – zwischen Karlsruhe und Sedilo, zwischen Gegenwart und Vergangenheit, zwischen der Geschichte seiner Eltern und seiner eigenen Zukunft. In einer Zeit, in der kulturelle Identitäten oft als unvereinbar dargestellt werden, zeigt Giovanni, wie bereichend es sein kann, in mehreren Welten zu Hause zu sein.
Und vielleicht ist es genau das, was ich an unserer Freundschaft so schätze: dass wir trotz unterschiedlicher Wurzeln einen gemeinsamen Weg gefunden haben – auf dem Fußballplatz des KFV, in den Klassenzimmern der Europaschule und heute, als Erwachsene, die ihre Jugenderinnerungen teilen.
Giovanni Putzolu – ein Name, der für mich immer mit Fußball, Freundschaft und der faszinierenden Verbindung zwischen Deutschland und Sardinien verknüpft sein wird. Ein feiner Typ, sympathisch und immer präsent, wie ich zum Abschied dachte, als wir uns mit einem „Bis bald" und dem Versprechen, uns beim nächsten großen Fußballspiel wiederzusehen, trennten.
Die Sonne ging langsam unter über Karlsruhe, und ich war mir sicher: Irgendwann würde ich ihn in Sedilo besuchen, um die andere Hälfte seiner Welt kennenzulernen. Bis dahin wird Giovanni weiterhin zwischen den Welten pendeln, ein lebendiges Beispiel dafür, wie kulturelle Vielfalt unser Leben bereichern kann.
Besuchen Sie Sardinien
Wer nach Giovannis Erzählungen Lust bekommen hat, Sardinien selbst zu erkunden, findet auf unserer Website www.sardinien.pro zahlreiche Tipps zu Unterkünften, den schönsten Stränden und kulinarischen Highlights. Vielleicht treffen Sie ja auch auf der L'Ardia di San Constantino in Sedilo auf Giovanni – erkennen werden Sie ihn an seinem AC Milan-Trikot und seinem ansteckenden Lachen.
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Giovanni Putzolu zu Besuch in der Toro Tapasbar. |
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