Olbia: Eine sardische Reise durch die Zeit

 

Olbia: Eine sardische Reise durch die Zeit

Ich erinnere mich noch genau an den Tag, als ich zum ersten Mal in Olbia ankam. Die Morgensonne glitzerte auf dem türkisfarbenen Wasser des Hafens, während die Fähre langsam in den Golf von Olbia einlief. Die Stadt, am nordöstlichen Zipfel Sardiniens gelegen, empfing mich mit offenen Armen und dem Versprechen, ihre jahrtausendealte Geschichte zu enthüllen.

Die antiken Wurzeln

Ich war schon öfters in Sardinien. Das letzte mal in Sedilo. etwa 140 Km südlich von Olbia. In der Heimat von Giovanni Putzolu.
Aber das ist schon länger her.
Als ich durch die Straßen Olbias schlenderte, konnte ich die Schichten der Geschichte förmlich spüren. Hier hatte einst die phönizische Siedlung Terranova gestanden, bevor die Griechen kamen und ihr den Namen "Olbia" – die Glückliche – gaben. Ein passenderer Name hätte kaum gefunden werden können für diesen gesegneten Ort.

Ich besuchte das archäologische Museum, das in einem ehemaligen Wasserreservoir auf der Isola Peddone untergebracht ist. Dort bestaunte ich die Überreste römischer Schiffe, die im Hafen gesunken waren. Die Römer hatten Olbia ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. zu einem wichtigen Handelshafen ausgebaut. Besonders beeindruckte mich der Anblick des "Relitto del Pozzino", eines antiken Handelsschiffes, dessen Ladung von Amphoren und kostbaren Gütern nun in Vitrinen ausgestellt war.

"In römischer Zeit war Olbia das Tor zu Sardinien", erklärte mir der Museumsführer. "Von hier aus wurden die Rohstoffe der Insel nach Rom verschifft, und hier landeten die Waren aus dem gesamten Mittelmeerraum."

Mittelalterliches Erbe und pisanische Herrschaft

Nach meinem Museumsbesuch erkundete ich die Überreste der mittelalterlichen Stadt. Ich erfuhr, dass Olbia nach dem Fall des Römischen Reiches einen Niedergang erlebte, bevor sie unter pisanischer Herrschaft im 11. Jahrhundert wieder aufblühte. Die Pisaner nannten sie "Terranova Pausania".

Mein Weg führte mich zur romanischen Kirche San Simplicio, dem bedeutendsten historischen Bauwerk der Stadt. Erbaut aus granitfarbenem Sandstein im 11. Jahrhundert, steht sie majestätisch auf einem Hügel über der Stadt. Als ich eintrat, umfing mich die Kühle des Innenraums, und ich bewunderte die schlichte Schönheit der drei Kirchenschiffe mit ihren massiven Säulen.

"San Simplicio war der erste Bischof von Olbia und wurde hier während der Christenverfolgungen unter Diokletian zum Märtyrer", flüsterte mir eine ältere Dame zu, die neben mir eine Kerze anzündete.

Von der Vergangenheit zur Gegenwart

Die moderne Geschichte Olbias ist eine Geschichte des Wandels und des Aufschwungs. Ich verbrachte einen Nachmittag im Stadtarchiv, wo ich erfuhr, dass die Stadt erst 1939 ihren antiken Namen Olbia wieder annahm. Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs sie stetig, doch der wahre Aufschwung kam mit dem Tourismus.

"Als Costa Smeralda in den 1960er Jahren entwickelt wurde, veränderte sich alles", erzählte mir der Archivar. "Olbia wurde zum Tor zur Smaragdküste, mit ihrem internationalen Flughafen und dem Hafen."

Heute ist Olbia eine dynamische Stadt mit etwa 60.000 Einwohnern, deren Zahl sich im Sommer durch Touristen verdoppelt. Ich spürte diesen pulsierenden Rhythmus, als ich durch die belebte Fußgängerzone Corso Umberto schlenderte, mit ihren Boutiquen, Cafés und Restaurants.

Die Stadt erleben

An meinem letzten Tag genoss ich einen Espresso auf der Piazza Regina Margherita, dem Herzen der Stadt. Von hier aus konnte ich das geschäftige Treiben beobachten und die Kontraste zwischen Alt und Neu wahrnehmen.

Olbia ist mehr als nur ein Durchgangsort für Touristen auf dem Weg zur Costa Smeralda. Ich entdeckte einen charmanten Ort mit authentischem sardischem Leben. Auf dem Markt kaufte ich bei lokalen Händlern Pecorino-Käse und Mirto, einen traditionellen Likör aus Myrtenbeeren. Die Verkäuferin schwor, dass ihr Mirto nach einem Familienrezept hergestellt wurde, das seit Generationen weitergegeben wird.

Sehenswertes in und um Olbia

Neben San Simplicio und dem archäologischen Museum besuchte ich die Überreste der punischen Nekropole von Su Cuguttu und die römischen Thermen. An einem besonders heißen Tag fuhr ich zu den nahe gelegenen Stränden La Cinta, Cala Brandinchi und Pittulongu, deren weißer Sand und kristallklares Wasser mich an die Karibik erinnerten.

Ein weiteres Highlight war der Ausflug zur Insel Tavolara, einem imposanten Kalkmassiv, das sich vor der Küste Olbias aus dem Meer erhebt. Die lokalen Fischer erzählten mir die Geschichte vom "Königreich Tavolara", das im 19. Jahrhundert von der Familie Bertoleoni gegründet und sogar von Queen Victoria anerkannt worden sein soll.

"Dort drüben auf Tavolara liegt der kleinste König der Welt begraben", sagte ein alter Fischer und zeigte auf die Insel. "Sein Grabstein trägt die Inschrift 'Paolo I., König von Tavolara'." Die Geschichte mochte Legende sein, doch sie verlieh meiner Reise eine zusätzliche Dimension.

Steckbrief Olbia

Während ich meine Notizen für diesen Artikel durchblättere, fasse ich die wichtigsten Fakten zu Olbia zusammen:

  • Lage: Nordostküste Sardiniens, am Golf von Olbia
  • Einwohner: ca. 60.000
  • Geschichte: Phönizische, griechische und römische Siedlung, später unter pisanischer Herrschaft
  • Wirtschaft: Tourismus, Hafen, Dienstleistungen
  • Verkehr: Internationaler Flughafen Olbia Costa Smeralda, Fährhafen mit Verbindungen zum italienischen Festland
  • Klima: Mediterranes Klima mit heißen, trockenen Sommern und milden Wintern

Als ich am letzten Abend durch die Straßen Olbias wanderte, fühlte ich eine tiefe Verbundenheit mit diesem Ort, wo Vergangenheit und Gegenwart so harmonisch ineinander übergehen. Die untergehende Sonne tauchte die Granitfassaden in goldenes Licht, und vom Hafen her wehte eine leichte Brise, die den Duft von Meeressalz und gegrilltem Fisch mit sich trug.

Olbia hatte seinem Namen alle Ehre gemacht – es war wahrlich ein glücklicher Ort, an dem ich die Essenz Sardiniens erlebt hatte: eine reiche Geschichte, atemberaubende Naturschönheit und die herzliche Gastfreundschaft seiner Bewohner. Als ich am nächsten Morgen zum Flughafen fuhr, wusste ich, dass ein Stück meines Herzens für immer in dieser sardischen Stadt bleiben würde, wo die Zeit eine andere Bedeutung hat und die Vergangenheit in der Gegenwart weiterlebt.



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